"Es könnte dein letzter Tag sein"
Radek Hewelt und Filip Szatarski tanzen ein "Clever Project" im Wiener WUK
Wien
- Die Kunst ist eine Krisengewinnlerin - vorausgesetzt, sie ist clever.
Also nicht die Kunst selbst, sondern vor allem allerlei Händler,
Agenten und Spekulanten. Die beiden Performer Radek Hewelt und Filip
Szatarski wollen als Clever Team auch möglichst schlau sein. Deswegen
ist ihr "Clever Project", derzeit als Uraufführung im Wiener Wuk zu
sehen, so ergreifend.
Die beiden wissen natürlich, dass mit zeitgenössischem Tanz absolut
kein Reibach zu machen ist. Trotzdem muss es doch möglich sein,
wenigstens ein paar Wetten darauf abzuschließen. Dies soll hier getestet
werden. Das Publikum weiß gleich um seinen ersten Bonus: Es sieht zehn
Performances zum Preis von einer.
Ein zweistimmiges Lied zu Beginn macht klar, was bei einer richtigen
Spekulation wirklich zählt. "Genieße beim Aufstehen den Blick aus deinem
Fenster, denn das könnte dein letzter Tag sein." Richtig, auf die
Stimmung kommt es an! Der Konjunktiv der Todesnähe erzeugt Konjunkturen
für alles, was man sich noch gönnen möchte.
Zum Baum werden beispielsweise. Auch im Theater, wenn es unbedingt sein muss. Träume haben Konjuntur,
wenn es an das Letzte geht. Oder die Meditation, falls man doch etwas
verspannt zu werden droht. Also wird im "Clever Project" floskelreich
eine Publikumsmeditation eingeleitet, die alsbald im Nirwana einer
Opernpersiflage aufgeht.
An dieser Stelle wird das Stück zu einer Perle der Ironie. Die sich
noch vergrößert, sobald Hewelt zur Ukulele greift und erst zart, dann
immer rockiger den immer gleichen Satz singt: "When I was young,
smoking, fucking, drinking all the night, my mind was drugged." Auf die
Sentimentalitätswerte des Rock 'n' Roll kann man bis heute ebenso gut
wetten wie auf jene der Hochkultur.
Warum? Gut, dass die beiden als Antwort ihre Biografien erzählen.
Erstens, weil das immer zieht und zweitens, weil wir dadurch unsere
eigenen, endlichen Leben besser verstehen. Radek und Filip zogen
gemeinsam aus, um den Gral zu finden, die Welt zu erobern. Sie litten
Hunger und Zurückweisung, erfanden eine Heilmethode - und den ersten
Projektor. Also hielten sie sich für den Nabel der Welt. Bis dunkle
Wolken aufzogen und ein "Stagnator"-Monster über sie hereinbrach.
Wie das Clever Team diese Krise gemeistert hat, wird nicht verraten.
Wohl aber etwas Offensichtliches: Dass hier eine so exzellente wie
treffende Satire auf Krisen und emotionale Spekulation in unserem
Kulturleben entstanden ist.
(Helmut Ploebst, DER STANDARD, 11.2.2013)